Wie die meisten Amtsgerichte in Nordrhein-Westfalen besteht auch das Amtsgericht Lemgo seit dem 01.10.1879. Die damals in Kraft getretenen "Reichsjustizgesetze" ersetzten den einzelstaatlichen Gerichtsaufbau durch die noch heute bestehende Gerichtsverfassung.

Bis dahin gab es in Ausgestaltung der Patrimonialgerichtsbarkeit in Lemgo einen Magistrat, der durch den damaligen Bürgermeister Honerla und den Justizbürgermeister Pothmann repräsentiert wurde. Die Neuordnung der Gerichte nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung führte zu einer Trennung von Magistrat und Gericht. Zugleich sollten unter Zusammenfassung benachbarter Ämter funktionsfähige Justizeinheiten entstehen. Die Alte Hansestadt Lemgo musste sich daher, wie andere Kommunen auch, zunächst um den Erhalt eines örtlichen Gerichtes bemühen.

In dem städtischen Gesuch zur Erhaltung des Gerichtssitzes vom 14.01.1878 wurde als Begründung vorgetragen, dass "in der Stadt die Intelligenz" wohne. Die Stadt erklärte sich bereit, dem neuen Amtsgericht im Rathaus die erforderlichen Amtsräume auf Stadtkosten zur Verfügung zu stellen. Als das nicht zu reichen schien, erklärte sich die Stadt auch mit der Tragung der Kosten der Herstellung und Unterhaltung "gern" einverstanden. Den Zuschlag aber erhielt die Stadt erst nach einem weiteren Zugeständnis: Der Stadtverwaltung verblieben im Rathaus die Kellerräume und vier Diensträume, während die übrigen vorhandenen Amtsräume einschließlich Sitzungssaal dem Gericht zufielen.

Die Jahre 1879 bis 1920

Rathaus der Stadt Lemgo Das Rathaus der alten Hansestadt Lemgo

Am 01.10.1879 nahm das Amtsgericht Lemgo unter dem ersten Dienstaufsichtsrichter Pothmann seine Tätigkeit auf.

Glücklich war die Stadt Lemgo mit der mehr oder weniger aufgenötigten Unterbringung des Gerichts im Rathaus allerdings offenbar nicht. Nur zögernd kam sie getroffenen Vereinbarungen nach. Der Winter 1879/80 muss für die Bediensten des Amtsgerichts recht ungemütlich gewesen sein, denn der Aufsichtsführende Richter beklagte, es fehle "zur Beheizung an vier Öfen". Die Regierung in Detmold forderte die Stadt recht nachdrücklich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen auf, konnte jedoch erst drei Jahre nach dem Bezug der Amtsräume "sämtliche getroffenen Vereinbarungen als erfüllt ansehen".

Das Gericht war -spartanisch- eingerichtet. Zu Recht hat daher das Staatsarchiv in Detmold den 06.10.1896 als einen bedeutsamen Tag für das Gericht festgehalten: Die Regierung genehmigte an diesem Tag, dass "der Richter anstatt auf einem Brettstuhl künftig auf einem noch zu beschaffenden Sessel dem Schöffengericht vorsitzen" durfte.

Wie voraussehbar, erwiesen sich die der Stadtverwaltung verbliebenen Räume im Rathaus als unzureichend. Bei der drangvollen Enge musste es zu ständigen Reibereien zwischen den beiden Behörden kommen. Flure, Toiletteneinrichtungen und andere gemeinschaftlich benutzte Einrichtungen gaben ständig Anlass zu Auseinandersetzungen.

Die Verhältnisse zwischen Stadtverwaltung und Regierung spitzten sich zu. Das Gefängnis war durch mangelhafte Unterhaltung in einen trostlosen Zustand geraten und die Verhältnisse im Sitzungssaal näherten sich den von Spitzweg bevorzugten Idyllen. Die Decke zeigte mehr und mehr Wasserflecke, und man befürchtete so dass der Zeitpunkt nahe rückte, in dem der Richter unter einem Regenschirm den Vorsitz im Schöffengericht führen musste.

Mit steigenden Einwohnerzahlen und Aufgabenvermehrung platzte die Stadtverwaltung aus allen Nähten. Man bot daher eine anderweitige Unterbringung des Gerichts an, doch die Regierung in Detmold blieb von den Sorgen der Stadt Lemgo unbeeindruckt. Seitens der Stadt kam man nun zu der Überzeugung, einfach abzuwarten, bis das Amtsgericht selbst aus Raummangel - der Zeitpunkt schien absehbar - ausziehen müsse.

Nach dem ersten Weltkrieg

Ehemaliges "Hotel Wegener" Das für das Amtsgericht umgebaute ehemalige "Hotel Wegener"

Der Zeitpunkt für einen Auszug aus dem Rathaus war nach dem 1. Weltkrieg gekommen, zumal die Stadt in den Kriegsjahren das Warte- und das Amtsanwaltszimmer bezogen und nun zur Rückgabe nicht mehr bereit war. In diesem Streit ergriff der Dienstaufsichtsrichter Bernhard Kuhlmann die Initiative. Er schlug am 11.12.1920 vor, das Hotel Wegener durch die Stadt in Ausübung eines bestehenden Vorkaufsrechts anzukaufen und dem Land bei einer angemessenen Kostenbeteiligung zu übertragen. Das geschah dann auch. Das Hotel wurde für Justizzwecke umgebaut und am 20.04.1922 bezogen.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Amtsgerichte Hohenhausen und Alverdissen geschlossen und mit dem Amtsgericht Lemgo vereinigt. Zwar wurde nach Kriegsende im Zuge der damaligen Restaurierungswelle diese Zusammenlegung wieder aufgehoben, für das Amtsgericht Lemgo erwiesen sich jedoch die Diensträume bei der schnell steigenden Zahl der Gerichtseingesessenen für eine ordnungsgemäße Abwicklung der Dienstgeschäfte als nicht mehr ausreichend.

1958 bis heute

Gebäude des Amtsgerichts in der Primkerstraße Das damalige Gebäude des Amtsgerichts in der Primkerstraße

Ende der 50-er Jahre (1958) bemühte sich daher das Amtsgericht Lemgo um eine Erweiterung des Gebäudes an Ort und Stelle. Dank eines großzügigen Angebots der Stadt Lemgo konnte die Marianne-Weber-Schule in der Primkerstraße erworben und am 16.04.1963 bezogen werden. In den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich die Einsicht durch, dass kleine Gerichte bei den komplizierter gewordenen Lebensvorgängen und der diese regelnden Gesetze und Vorschriften dem Rechtsbedürfnis der Bevölkerung nicht mehr genügten und auch die Justiz in größeren Einheiten effizienter arbeiten könne. Das Ergebnis dieses Prozesses war die Verringerung der Zahl der Lippischen Amtsgerichte.

Wieder mussten die Lemgoer um den Erhalt "ihres Gerichtes" kämpfen. Nicht zuletzt aufgrund des Engagements des damaligen Bürgermeisters Wilmbusse blieb der Standort Lemgo erhalten. Das Amtsgericht Bad Salzuflen wurde aufgelöst; sein Bezirk dem des Amtsgerichts Lemgo zugeschlagen. Dank des Entgegenkommens der früheren Kreisverwaltung konnte das Gelände am Schloss Brake erworben werden.

Dort wurde in den Jahren 1975 - 1978 ein moderneres Gerichtsgebäude mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 5.000 qm errichtet, in dem heute ca. 125 Beschäftigte tätig sind.